03.12.2021


LEISTUNG GUT – BELOHNUNG SCHLECHT

Adrian Thomann schliesst sein erstes Jahr als CEO der Bereuter-Gruppe ab. Im Gespräch blickt er auf seinen Antritt zurück. Und spricht über ein sehr forderndes Baujahr.

Sie haben jetzt Ihr erstes Kalenderjahr als CEO der Bereuter-Gruppe «in den Knochen». Wie haben Sie das Jahr erlebt?
Wir befinden uns am Ende eines insgesamt sicherlich anspruchsvollen Jahres. Das Führungsteam und ich mussten uns in unseren neuen Rollen finden und einleben. Dies in einer Phase, in der sich die Marktbedingungen durch direkte oder indirekte Folgen der Pandemie nochmals verschärften. Angesichts dessen meine ich, sind wir ordentlich durch ein forderndes 2021 gekommen.

Gab es für Sie den Moment, in dem Sie merkten: Jetzt bin ich in meiner neuen Rolle angekommen?
Nein, ich habe mein Ankommen nicht als Moment, sondern als Prozess erlebt. Im ersten Quartal durchliefen wir eine intensive Findungsphase. Mein neues Führungsteam, die restlichen Kaderleute und ich sowie die Mitarbeitenden mussten uns kreuz und quer abtasten und aneinander gewöhnen. Im zweiten Quartal hatten wir uns alle schon etwas eingelebt und konnten uns darauf konzentrieren, die Basis für die künftige Zusammenarbeit zu legen. Um die Jahresmitte herum kam bei mir dann langsam das Gefühl auf, angekommen und angenommen zu sein. Ich begann eine breite Akzeptanz und das Vertrauen der Mitarbeitenden zu spüren. Im dritten und vierten Quartal konnten wir dann richtig vorwärts arbeiten.

Konnten Sie spezielle «Meilensteine» erreichen, die Ihnen wichtig waren?
Es sind nicht einzelne Meilensteine, die für mich dieses Jahr im Zentrum stehen. Viel mehr bedeutet es mir, dass es mir gelungen ist, mir selbst treu zu bleiben, authentisch zu sein und meinen Führungsstil so umzusetzen, dass eine grosse Mehrheit der Mitarbeitenden ihn annehmen konnte. Meine Linie ist heute im Unternehmen bekannt. Und ein Grossteil der Belegschaft gibt mir das Gefühl, innerhalb dieser Leitplanken den Freiraum zu finden, um sich zu entfalten und konstruktiv arbeiten zu können.

Wie hat sich die Bereuter-Gruppe 2021 wirtschaftlich geschlagen?
Ich bin mit der Arbeit zufrieden, die in unseren Büros, Werkstätten, Gruben und auf den Bauplätzen geleistet wurde. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen werden wir dieses Jahr für den beherzten Einsatz aber nur unzureichend belohnt. Die Pandemie hat das wirtschaftliche Umfeld insgesamt noch schwieriger gemacht. Die Nachfrage ist gross, das ist erfreulich. Gleichzeitig sind wir von rekordhohen Projektverschiebungen, enormen Teuerungsraten und Lieferengpässen betroffen, welche die Umsatzentwicklung negativ beeinflussen und die ohnehin knappe Marge weiter reduzieren.

Also Leistung gut, Belohnung schlecht?
Das bringt es auf den Punkt. Meine Geschäftsführer treten der Situation mit viel Ehrgeiz und einer guten Portion Leidensbereitschaft entgegen. Sie sind gemeinsam mit ihren Kadern und Bauleuten entschlossen, nicht einfach die Köpfe einzuziehen, sondern suchen aktiv nach Möglichkeiten, im schwierigen Umfeld weiterhin erfolgreich tätig zu sein. Der Einsatz, der in den Bereuter-Firmen von den Kadern bis auf die Baustelle täglich geleistet wird, ist eindrücklich und verdient einen grossen Dank. Umso schwerer fiel der Entscheid, eine symbolische Wertschätzung zum Jahresabschluss wie das Weihnachtsessen auch dieses Jahr wegen der Pandemie absagen zu müssen. Ich hoffe sehr, dass das breit geschätzte Zusammenkommen zum Abschluss des Arbeitsjahres im 2022 endlich wieder möglich sein wird.

Wie sehen die Auftragsbücher für das kommende Jahr aus?
Sie sind fast unwirklich voll. Wir waren dieses Jahr in allen Sparten von sehr vielen Projektverschiebungen betroffen. Diese Projekte fallen glücklicherweise nicht weg, sondern wandern ins kommende Jahr und sorgen dort für eine sehr gedrängte Auftragslage. Das ist tröstlich, aber auch herausfordernd: Die verschobenen Projekte, die uns im laufenden Jahr die Umsätze und Margen schmälerten, sorgen im kommenden Jahr dafür, dass wir gut überlegen müssen, wie wir all die Arbeit bewältigen können, ohne unsere Kapazitäten ungesund auszuweiten.

Wo sehen Sie Potenziale, die noch besser genutzt werden sollten?
Entscheidend für die erfolgreiche Weiterentwicklung der Firmen und der Gruppe ist die Qualität unserer Mitarbeitenden und die Konstanz in der Belegschaft. Punkto Qualität sind wir auf allen Ebenen gut aufgestellt, wobei man diesbezüglich nie einen Punkt erreicht, an dem man sich nicht mehr weiter verbessern könnte. Bei der Konstanz jedoch haben wir die angepeilten Ziele nicht erreicht. Während wir auf den oberen Kaderstufen erfreulich stabil sind, gab es bei den Polieren und Disponenten dieses Jahr weiterhin rege Wechsel. Da nachhaltiger Erfolg auch davon abhängig ist, dass man in eingespielten Teams kontinuierlich Fortschritte erarbeiten kann, erhoffe ich mir für das kommende Jahr auf dieser Stufe eine Beruhigung.

Mit welcher Grundstimmung blicken Sie insgesamt auf das nächste Jahr?
Ich bin zuversichtlich. Mit einer weiter verstärkten Kadermannschaft und mit Mitarbeitenden, die alles für die Unternehmung geben, bin ich überzeugt, dass wir den sehr grossen Arbeitsbestand schultern und dabei eine Marge realisieren können, die uns angemessen für den Einsatz entschädigt. Sorgen bereitet mir dagegen die gehässige Stimmung, die sich im Zuge der Pandemie und aufgrund der verschiedenen negativen Marktfaktoren mittlerweile durch die Branche, ja eigentlich durch die ganze Gesellschaft zieht. Sei es in der Beziehung zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern, Vorgesetzten und Untergebenen oder auch unter Kollegen: Der Druck, der auf allen Schultern lastet, ist hoch – und der Reflex ist omnipräsent, bei allfälligen Fehlleistungen den Schwarzen Peter oder die Rechnung dem Nächstbesten zuzuschieben. Diese Entwicklung ist problematisch. Und ich bin wenig zuversichtlich, dass sich daran rasch etwas ändert.

Seit Ihrem Antritt haben Sie das Engagement im Bereich der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes stark betont. Was ist in diesem Bereich 2022 von der Bereuter-Gruppe zu erwarten?
Tatsächlich konnten wir in diesem Bereich mehr Akzente setzen, als ich mir gedacht hätte. Das Thema ist mir ein grosses Anliegen, entsprechend wichtig ist mir, dass wir als Firma adäquat damit umgehen. Das tun wir, indem wir beispielsweise unsere Stabstelle «Umwelt und Strategie» mit einer Praktikumsstelle aufstocken. Oder indem wir den anstehenden Werkstattumbau so angehen, dass er sich mit dem geplanten Ausbau unserer solaren Stromproduktion optimal kombinieren lässt. Im kommenden Jahr legen wir einen Fokus auf die Eigennutzung unseres Solarstroms. Wir investieren verstärkt in die Elektromobilität und beschäftigen uns auch bei den Baumaschinen und den LKW mit alternativen Antriebskonzepten. Wir arbeiten also kontinuierlich daran, unseren CO2-Ausstoss mit cleveren Lösungen Schritt für Schritt weiter zu reduzieren.

Da sind Herausforderungen an verschiedensten Fronten. Freuen Sie sich trotzdem auf Ihr zweites CEO-Jahr?
Absolut. Ich bin glücklich und dankbar, spricht mir der Verwaltungsrat nach meinem Startjahr wieder das Vertrauen aus. Und ich freue mich, darf ich mit meiner Führungscrew in konstanter Aufstellung in die zweite Runde gehen. Auch wenn die Hektik und der Druck gross sind: Ich spüre jeden Tag eine grosse Freude, wenn ich in die Schützenstrasse einbiege und zur Arbeit komme. Und das Schönste an allem: Ich glaube, so geht es dem überwiegenden Teil unserer Mitarbeitenden.