12.06.2023

TAMARA UND DIE BRUMMIS

Als Disponentin der Bereuter AG kümmert sich Tamara Graf darum, dass die LKW-Flotte Kundenaufträge effizient ausführt. Dabei profitiert sie von den Erfahrungen, die sie selbst als Chauffeurin gesammelt hat.

Tamara Graf

 

 «Ja, der Lastwagen ist – ‹trotz dem choge Verchehr› - in wenigen Minuten vor Ort», bestätigt Tamara Graf dem Kunden am Telefon. Dieser hat angerufen, um sich zu versichern, dass die bestellte Fuhre Rundkies unterwegs ist. Während des Anrufs hat sie auf dem grossen Bildschirm an ihrem Arbeitsplatz die aktuelle Position des entsprechenden LKW kontrolliert und mit dem Chauffeur Rücksprache genommen. «Alles klar», sagt sie ihm, «ich weiss ja, wie es ist». Bis vor zwei Jahren war Tamara selbst als Chauffeurin unterwegs. Seither ist sie Disponentin bei der Bereuter AG. 

Gemeinsam mit den Dispo-Kollegen Michi Gotzi und Gerhard Lauber sorgt Tamara dafür, dass Kunden, die bei der Bereuter AG Baustoffe und/ oder Transportleistungen bestellen, korrekt und pünktlich bedient werden. «Wir koordinieren aktuell 15 eigene Lastwagen sowie die Fahrzeuge vom Fremdfuhrhaltern, mit denen wir je nach Auftragslage zusammenarbeiten. Das tun wir so, dass die Fahrzeuge möglichst nahtlos in der Region zirkulieren und möglichst nie leer fahren», erklärt die Disponentin. Die oft kurzfristigen Bedürfnisse der Kunden so zusammenzupuzzlen, dass sie mit einem möglichst effizienten Fahrzeugeinsatz befriedigt werden können, ist eine anforderungsreiche Aufgabe. Eine gewisse Hektik gehöre zum Dispo-Alltag. Kein Tag sei wie der Nächste. 


Pragmatische Einsatzplanung 

In der Theorie weiss Disponentin Tamara am Vorabend ungefähr, was sie am nächsten Tag erwartet. Die Kunden geben bis 17 Uhr ihre Bestellungen auf. Sie bilden das Grundgerüst für die Arbeit des Folgetags. «Es gibt jedoch tausend Gründe, weshalb es dann doch wieder anders kommt», sagt Tamara. Kurzfristige Bestellungsänderungen, dringende neue Bestellungen oder Verzögerungen auf Baustellen, deretwegen bestelltes Material doch noch nicht benötigt wird. Hinzu kommt der Verkehr, der an vielen Orten gerne stockt. Aus dieser Erfahrung heraus geht Tamara in der Einsatzplanung pragmatisch vor. «Ich gebe den mir zugeteilten Chauffeuren keine Halbtages- oder gar Tagespläne ab, sondern gebe ihnen nur die erste Tour des Tages an. Alles weitere nehme ich ‹vorewäg›.» 

Tamaras berufliche Laufbahn begann in Baunähe. «Ich schnupperte als Kauffrau, Hochbauzeichnerin und Malerin. Danach war für mich die Sache klar: Malerin ist es», schildert sie. Es sei ein Beruf, im dem aus alt neu werde und in dem man abends sehe, was man tagsüber geleistet habe. Das sei ihr wichtig, betont sie. Tamara zog die Lehre durch und blieb nach dem Abschluss fünf weitere Jahre als Malerin tätig – bis ein Unfall alles veränderte. «Eine Leiter, auf der ich stand und malte, fiel um. Ich stürzte in einen Steingarten und brach mein rechtes Sprunggelenk», beschreibt sie. Die nötigen Behandlungen liefen schlecht, Tamara spricht von Pfusch. Mit der Folge, dass ihr Fuss nie mehr ganz einsatzfähig wurde. Heute sei das Gelenk komplett steif. Tamara versuchte sich nach der Genesung wieder als Malerin, konnte mit dem eingeschränkten Fuss die erwartete Leistung aber nicht mehr erbringen. Es folgte die Kündigung. «Es war ein harter Moment, als eindeutig wurde, dass es vorbei ist mit dem Beruf, den ich wirklich gerne ausübte», sagt sie. Noch am Tag der Kündigung fuhr Tamara die Zweitkarriere vor der Nase vorbei. Sie sei frustriert auf einem Baugerüst gesessen und habe ins Leere geschaut, als auf der Strasse unter ihr ein Fahrschullastwagen vorbeifuhr. «Dann fahre ich halt Lastwagen», beschloss Tamara und machte Nägel mit Köpfen. Ohne jegliche LKW-Vorkenntnisse arbeitete sie sich durch die Lastwagenfahrschule. Als sie den Brief in der Tasche hatte, dauerte es nur wenige Wochen, bis sie eine Anstellung als Chauffeurin fand. Das LKW-Virus hatte sie zu diesem Zeitpunkt längst befallen. 


Optimales Bindeglied 

In den folgenden zwölf Jahren war sie für den Baustoffproduzenten Holcim tätig. Vier Jahre fuhr die Thurgauerin für das Unternehmen auf Ostschweizer Strassen. Als Teile der Fahrzeugflotte ausgelagert wurden, wechselte sie in die Disposition nach Zürich. Die Tätigkeit in der Dispo habe ihr grossen Spass gemacht – aber sie sei noch nicht soweit gewesen, um der Strasse den Rücken zu kehren», sagt Tamara. Deshalb kehrte sie für weitere Jahre auf die Strasse zurück, fuhr zunächst für Holcim weiter, dann für ein Ostschweizer Recyclingunternehmen und schliesslich als Servicefahrerin bei CWS. Als bei CWS im Zuge der Pandemie Touren zusammengelegt wurden, schaute sich Tamara nach einer neuen Stelle um. Jetzt, abertausende weitere LKW-Kilometer später, tat sie dies mit ganz anderen Augen als beim letzten Wechsel: «Diesmal suchte ich bewusst eine Stelle als Disponentin. Denn ich spürte, dass mir die Strasse ‹gnüegelet›. Ich hatte es einfach gesehen». Ohne etwas davon zu wissen, fragte Moni Riesen, damals noch Leiterin Verkauf bei der Bereuter AG, Tamara in jener Zeit an, ob sie Lust hätte, wieder als Disponentin zu arbeiten. Moni und Tamara hatten sich einige Jahre zuvor auf der Holcim-Dispo kennengelernt. Nun, als die Bereuter AG eine Dispo-Stelle zu besetzen hatte, kreuzten sich die Wege wieder. Tamara bewarb sich und stellte sich vor. Im Oktober 2021 hatte sie ihren ersten Arbeitstag im Betrieb. 

Als Disponentin mit mehrjähriger Chauffeur-Erfahrung ist Tamara ein optimales Bindeglied zwischen dem Büro der Bereuter AG und den Mitarbeitenden, die draussen auf den Strassen das gedrängte Programm ausführen. «Ich kenne die Anforderungen des Unternehmens und der Kunden ebenso wie jene der Chauffeure. Das führt dazu, dass ich zu allen Beteiligten einen sehr guten Draht habe», sagt Tamara. Eine Qualität, die ihrer Erfahrung entspringt: «Ich rede mit den Chauffeuren nicht nur Klartext, wenn etwas schiefläuft, sondern sage es auch gerne, wenn etwas super läuft.» Mit der eigenen Leistung ist sie am Feierabend glücklich, wenn keine Reklamationen von Kunden vorliegen. Und eben: Wenn die Fahrer zufrieden heimkehren. 

Nach getaner Arbeit lüftet Tamara ihren Kopf auf der Heimfahrt ins Thurgauische. Zwei Katzen erwarten sie dort sehnlich. Nur an schönen Wochenendtagen holt sie das Mustang Cabrio aus der Garage, lässt den V8 galoppieren und die Seele baumeln. Also doch Sehnsucht nach der Strasse? «Nein, gar nicht. Ich fahre zwar gerne Auto. Aber beruflich zu fahren, ist damit nicht zu vergleichen.»