03.12.2021


VOLLGAS IN DER CITY

Die Bereuter Bau AG realisiert in einer engen Lücke im Zürcher Englischviertel ein Mehrfamilienhaus mit komplexen Untergeschossen. Über allen technischen Finessen tickt die Uhr.

Kranführer Mohammad Ghassemi ist viel zu Fuss unterwegs auf dem Bauplatz an der Neptunstrasse. Die Platzverhältnisse im Zürcher Englischviertel sind knapp. Der Kran steht auf einem Portal über der Quartierstrasse. Von der Kabine aus hätte Ghassemi zwar eine schöne Aussicht über das Quartier, aber das nützt ihm wenig. «Wenn ich oben sitze, kann ich den Bereich hinter dem wachsenden Hochbau nicht einsehen, wo wir praktisch das ganze Material deponieren und stets wieder umlagern müssen», sagt er. Also läuft er mit umgehängter Kran-Fernbedienung täglich zig Male um den Rohbau herum und das Fassadengerüst hoch und runter. Auf dem innerstädtischen Grundstück erstellt die Bereuter Bau AG ein Mehrfamilienhaus mit insgesamt 16 Wohneinheiten auf fünf Geschossen. Seit Mai 2021 ist Polier Jenndhwill Javier mit drei Hochbau-Kollegen auf dem Platz. Zum Zeitpunkt des Besuchs Anfang November steht das Betonieren der Decke des zweiten Obergeschosses kurz bevor. «Bis Ende Jahr erstellen wir nochmals zwei volle Geschosse und schliessen damit den Rohbau ab», sagt Javier. Das erste Obergeschoss erstellte seine Truppe in sportlichen elf Arbeitstagen. Gemeinsam mit Pascal Fluri, der das Projekt als Bauführer betreut, steht der Polier in der engen Baustellenzufahrt und bespricht, wie er den Sprint bis zum Schluss weiterziehen will.

Herausforderungen im Untergrund
«Beim entstehenden Mehrfamilienhaus handelt es sich um einen Ersatzneubau, der sich über mehrere Parzellen erstreckt und der von zwei Bauherrschaften, vertreten durch eine gemeinsame Bauleitung, in Ausführung gegeben wurde», erklärt Fluri das Vorhaben. Das gut 15 Meter hohe Wohngebäude verfügt über zwei Unterschosse, die sich jeweils über leicht verschobene Niveaus erstrecken. Im ersten Untergeschoss sind Kellerabteile und Hobbyräume untergebracht, im zweiten Untergeschoss die Technikzentrale, ein Schutzraum sowie Einstellplätze für Velos und Autos. Die Garage ist über eine gemeinsame Zufahrt mit dem Nachbarsgebäude erschlossen. Die bestehende Zufahrt wurde zu diesem Zweck abgebrochen und um anderthalb Meter verschoben neu aufgebaut. Verzögert durch das garstige Winterwetter sorgte schon dieser erste Arbeitsschritt dafür, dass der Zeitdruck für alle folgenden Arbeiten weiter zunahm. Nach bautechnischen Herausforderungen gefragt, deuten Bauführer Fluri und Polier reflexartig in den Untergrund. «Die knapp bemessene Baugrube mit ihren senkrechten Abschlüssen erforderten es, die Aussenwände der Untergeschosse weitgehend einhäuptig zu schalen», erklärt Fluri. Das sei nicht nur aufwendiger, sondern zeitlich auch schwieriger zu kalkulieren. Die Splitlevel-Untergeschosse führten zu einer verschachtelten Bauweise. «Wir erstellten beispielsweise zuerst die Bodenplatte des Hauses mitsamt ersten Wänden. Erst daraufhin betonierten wir die Bodenplatte der Garage, die wir mit Comax-Bewehrungen an den Hausbau anschlossen», erklärt Javier. Nebst dem eigenwilligen Bauablauf im Untergrund weist der Wohnbau weitere Spezialitäten auf: So ist die südöstliche Fassade nicht im rechten Winkel zu den anderen Aussenwänden ausgebildet – um keinen Millimeter Baugrund ungenutzt zu lassen. Feinsäuberlich der Grenzlinie folgend resultiert ein Winkel von 87 Grad, was auf die gesamte Gebäudelänge eine Verschiebung von gegen 20 Zentimetern aus macht. «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht aus blosser Gewohnheit etwas von dieser Fassade her einmessen, sonst haben wir plötzlich im ganzen Gebäude keine rechten Winkel mehr», betont der Polier. Acht Lichtschächte ins erste Untergeschoss, Balkonplatten in Ortsbeton mit Einlagen und schrägen Kanten bilden weitere Knacknüsse. Zu lösen sind die Aufgaben in einem straffen Zeitplan, der nach Vergabe und Baustart noch zusätzlich verknappt wurde. Bis Ende Jahr soll der Rohbau fertiggestellt sein. «Wir müssen wirklich stark aufs Gaspedal drücken. Aber wir schaffen es», sagt Polier Javier.