14.12.2022
KOCH AUS LEIDENSCHAFT IM BEREUTER-SALOON
Seit dem 1. Oktober leitet Walter Merz den Saloon auf dem Bereuter-Werkhofareal. Die Herausforderung, mit einfachen Mitteln hochwertige Speisen zu kreieren, hat den erfahrenen Koch nach Hegnau gelockt.
Ein Novembermorgen kurz vor zehn Uhr. Die letzten Znüni-Gäste haben den Saloon auf dem Werkhofareal verlassen. Walter Merz putzt die Tische ab und rückt die Stühle zurecht. Dann deckt er auf. «Ich bin ein bisschen knapp dran heute», sagt er. «Aber es chunnt scho guet». Walti, wie sich der 58-Jährige vorstellt, leitet seit Anfang Oktober das Werkhof- Restaurant der Bereuter-Gruppe. In der Küche hinter dem Tresen stehen vorbereitete Nahrungsmittel für das heutige Mittagsmenü bereit. Auf einem Backblech reiht sich ein Pouletbrüstchen ans nächste. Daneben leuchtet Gemüse in frischem Grün. Poulet Saltimbocca, Tomatensauce, Carnaroli Risotto und Broccoli serviert Walti heute seinen Mittagsgästen. Wünscht jemand das Menu fleischlos, dann richtet er es anstatt mit Poulet mit angebratenen Zucchetti-Streifen an. «Beim Kochen und Essen mag ich es wie im Zwischenmenschlichen: unkompliziert aber gut, grundehrlich und ohne grosses Tamtam», sagt er. Ein Show-Koch wie Tim Mälzer, nein, das sei er wirklich nicht.
Einfach Koch geblieben
Zweifellos aber ist Walti ein Koch mit einem reich gefüllten Rucksack. Vor 40 Jahren lernte er sein Handwerk im Hotel Stella in Interlaken. Als ausgebildeter Koch wirkte er schliesslich in Restaurants und Hotels in Luzern, Zollikon und Basel. Anfang der 1990er Jahre übernahm er als Küchenchef die Gesamtverantwortung in Betrieben in Lachen oder Weesen, bevor er 2001 mit seiner damaligen Partnerin das Restaurant & Guesthouse Villa Aurum in Rapperswil kaufte und als Küchenchef führte. 17 Jahre lang wirbelte Walti hinter den Herdplatten des eigenen Restaurants, bevor das Paar seinen Fokus auf Catering-Angebote verschob. Später kombinierte Walti die selbständige Catering-Tätigkeit mit Teilzeit-Anstellungen als Küchenchef in einem Restaurant und dann einem Wohnheim, wo er mit beeinträchtigten Menschen arbeitete. «Ich habe während meiner ganzen beruflichen Laufbahn ohne Unterbruch gekocht», fasst er zusammen. Viele in seinem Umfeld hätten studiert, doktoriert und sich laufend weitergebildet - er hingegen sei ein einfacher Koch geblieben. Dass er damit sein Lichtlein etwas unter den Scheffel stellt, ist Walti durchaus bewusst. Er hat im Verlaufe seiner Karriere in namhaften Schweizer Küchen mit der Schweizer Koch-Elite gearbeitet. Als Küchenchef im Hotel Flyhof in Weesen hat er sich 14 GaultMillau-Punkte, in seiner Villa Aurum in Rapperswil gar 16 GaultMillau-Punkte erkocht. Regelmässig sassen Bundesräte, Wirtschaftsgrössen und renommierte Künstler an seinen Tischen. Und doch ist er am Boden geblieben. «Mir ist wichtig, dass ich allen Gästen mit dem gleichen Respekt begegne und ihnen das gleiche ehrliche Angebot mache. Sei es nun ein Promi. Oder sei es Busführer Suter aus dem Quartier, der seine Frau einmal jährlich zum Hochzeitstag ausführt», sagt Walti.
Die Teller sind leer
Es war ein bisschen Zufall im Spiel, dass der Punkte-Koch seinen Weg in den Bereuter-Saloon fand. Dies umso mehr, als im Schweizer Gastgewerbe seit Ende der Corona-Beschränkungen akuter Fachkräftemangel herrscht und Köche landauf landab gesucht sind. Walti hatte eine Anstellung gekündigt und suchte etwas Neues. Nicht irgendwas, sondern eine Stelle, die genügend Raum lässt für Nebentätigkeiten. An der Ostsee betreibt er ein Gästehaus mit drei Ferienwohnungen und viel Umschwung. Und unter dem Projektnamen «Waltis Chuchitisch » bekocht er daheim in Hittnau nach individueller Absprache Gruppen zwischen sechs und acht Personen mit mehrgängigen Überraschungsmenüs. «Diese Hobby sind mir wichtig. Deshalb war für mich entscheidend, dass sie nebst meiner Hauptarbeit ihren Platz haben», sagt er. Walti wurde hellhörig, als ihm ein Nachbar, der als Chauffeur für die Bereuter AG arbeitet, bei einem Schwatz davon erzählte, dass im Unternehmen ein Koch in einem Teil-Pensum gesucht werde. Er bewarb sich. Und als er wenig später erstmals den Saloon betrat, um mitten im Mittagsrummel ein Vorstellungsgespräch mit CEO Adrian Thomann zu führen, war für den erfahrenen Koch sofort klar: Mit dieser rudimentären Kücheninfrastruktur täglich zu gewährleisten, dass gutes, warmes Essen pünktlich und in ausreichender Menge bereitsteht, ist eine echte Herausforderung. «Eine, die mich reizt», so Walti. Heute, nach rund zwei Monaten in der Saloon-Küche zieht er ein positives Fazit über seinen Start. «Ich wurde herzlich empfangen und ich glaube, meine Arbeit wird sehr geschätzt», sagt er. Er bekomme Lob und die Teller seien meist leer, wenn sie zurückkommen. Einen unmittelbareren Gradmesser gibt es in der Gastronomie nicht. Die grösste Schwierigkeit für den Saloon-Koch ist es, nie zu wissen, wie viele Gäste beim nächsten Zmittag an seinen Tischen sitzen. Mal seien es 10, mal 17, mal 26. Angesichts solcher Schwankungen ist eine weitsichtige Menüplanung und Kreativität in der Resteverwertung nötig, um übermässigen Foodwaste zu verhindern. Hier ist Waltis Erfahrungsschatz Gold wert: «Ich plane die Menüs für die Folgewoche jeweils so, dass ich aus nicht verwerteten Nahrungsmitteln Neues kreieren kann.». Nach 40 Jahren hinter dem Herd habe er fast unerschöpflich viele Rezeptvariationen im Hinterkopf. Den Grundbedarf für deren Umsetzung beschafft er im Grosshandel, die Ergänzungen zwischendurch in der nahen Migros. Fleisch und Backwaren stammen von lokalen Anbietern. Walti gibt sich aber nicht damit zufrieden, möglichst virtuos mit den Schwankungen umzugehen. Vielmehr arbeitet er darauf hin, dass sich die Gästezahl auf einem guten Niveau stabilisiert – und der Saloon-Betrieb damit besser planbar wird. «Das versuche ich, indem ich gute Lebensmittel mit Achtung und Leidenschaft verarbeite und damit ein Angebot kreiere, das die Gäste – seien es nun Kaderleute, Handwerker oder Hilfskräfte – gleichermassen «gluschtet».