12.04.2021


MEHR ALS EIN JOB

Vor 30 Jahren erschien Antonietta D’Andrea zu ihrem ersten Arbeitstag im Unternehmen. Langweilig wurde ihr in all der Zeit nie. Heute führt sie das Rechnungswesen sowie das Sekretariat der Bereuter Totalunternehmung AG.

Wer die Juchstrasse 25 in Volketswil besucht, bei der Bereuter Totalunternehmung AG klingelt und schliesslich mit dem Lift in den dritten Stock fährt, hat gute Chancen, dort von Antonietta D’Andrea und einem herzlichen Strahlen begrüsst zu werden. Die 50-Jährige verantwortet das Rechnungswesen sowie das Sekretariat der Totalunternehmung, ist also zuständig dafür, dass Geld, Post, Anrufer und Besucher im Unternehmen ihren Bestimmungsort finden. Anto, wie sie von Vertrauten genannt wird, arbeitet seit 2013 für die Totalunternehmung. Ihre Bereuter-Geschichte aber reicht deutlich weiter zurück.

30 Jahre ist es her, als die junge Antonietta an einem Aprilmorgen etwas schüchtern über den Werkhofplatz an der Schützenstrasse in Volketswil lief und ihren ersten Arbeitstag im Sekretariat der Bereuter AG begann. «Als ich dort anfing, beschäftigte die Firma rund 65 Mitarbeitende. Alles war überschaubar, die Stimmung sehr familiär. Ich fühlte mich sofort wohl», sagt D’Andrea. Fünf Jahre lang arbeitete sie Vollzeit im Sekretariat der Bereuter AG. Nach der Geburt der ersten Tochter reduzierte sie das Pensum deutlich – und erhöhte es schrittweise wieder. Mit der zweiten Tochter, die mit sieben Jahren Abstand zur Welt kam, wiederholte D’Andrea den Zyklus. «Mir war es beide Male wichtig, nach dem Mutterschaftsurlaub wieder arbeiten zu können. Ich wollte beruflich aktiv bleiben. Nach zehn oder noch mehr Jahren Unterbruch wieder neu einzusteigen, das hätte ich mir nicht zugetraut», sagt sie.

Dass sich D’Andrea als Tochter von italienischen Einwanderern mit einem Abschluss als kaufmännische Angestellte auf ihren beruflichen Weg machen konnte, war zu jener Zeit keine Selbstverständlichkeit. Anders als viele andere italienische Secondos in ihrem Umfeld war D’Andrea eine starke Deutsch-Schülerin. «Ich war eine Leseratte – und bin es heute noch», erklärt sie. Im Rechnen dagegen war sie schwach, so dass sie die Oberstufe in der Realschule absolvierte. «Hätte mir damals jemand gesagt, ich würde mich später beruflich mit Zahlen befassen, hätte ich das nie geglaubt», sagt D’Andrea und lacht. Da ihr als Realschülerin der Weg zu einer KV-Lehre versperrt war, absolvierte D’Andrea zunächst eine zweijährige Bürolehre. Sie war gut und wurde im Lehrbetrieb geschätzt. Deshalb bot man ihr im Lehrbetrieb die Möglichkeit, in zwei weiteren Jahren den KV-Abschluss zu machen. «Ich bin bis heute froh und dankbar, konnte ich diese Gelegenheit nutzen», sagt sie.

In den Jahren nach D’Andreas Einstieg bei Bereuter wuchs und entwickelte sich die Unternehmung stetig weiter. Ebenso D’Andreas Zuständigkeiten. In einem fliessenden Prozess kamen zu den allgemeinen Sekretariatsarbeiten das Offertwesen, die Kostenkontrolle in laufenden Projekten oder auch die Fakturierung im Bereich Kies/Aushub hinzu. «Meine frühere Abneigung gegenüber Zahlen löste sich in Luft auf. Denn womit ich es bei meiner Arbeit zu tun hatte, waren nicht leblose Ziffern, sondern wichtige Bestandteile von spannenden Projekten und Geschäften», sagt D’Andrea.

Der stete Wandel verhinderte auch, dass sich in all den Jahren Langeweile einschlich. «Wenn ich Bekannten erzähle, dass ich seit 30 Jahren im gleichen Unternehmen arbeite, fragen sie mich oft, ob das nicht langweilig sei.» Für D’Andrea ist das kein Thema. Die permanente Entwicklung im Unternehmen sowie im eigenen Arbeitsbereich habe ihr immer wieder das Gefühl gegeben, Neues anpacken zu können, sagt sie. Bei allem Wandel: Es gab in den 30 Jahren auch Konstanten, welche D’Andrea hervorhebt. Etwa diese: «Trotz starkem Wachstum ist die familiäre Kultur im Unternehmen erhalten geblieben.» Oder diese: Auch nach 30 Jahren im Geschäft ist D’Andrea Mal für Mal ehrfürchtig beeindruckt, ob dem Aufwand und den hohen Geldsummen, die benötigt werden, um ein Bauwerk sauber zu planen und auszuführen. «Trotz aller Routine bin ich manchmal ein bisschen eingeschüchtert, wenn ich auf den Abrechnungen der einzelnen Projekte die Summen sehe», gesteht sie. Denn bei Fehlern ginge es sofort um sehr viel Geld. Es komme vor, dass sie zu Hause weit in ein Wochenende hineingrüble, ob sie dieses oder jenes in einer Abrechnung sauber erfasst habe oder ob sonst etwas vergessen ging. Nimmt die Grübelei überhand, dann setzt sie Kopfhörer auf, schaltet Musik ein und beginnt zu putzen. Das sei die perfekte Ablenkung. Dass es wichtig wäre, sich besser abzugrenzen, ist ihr bewusst. «Ich arbeite daran. Aber: Nach 30 Jahren ist es nicht mehr einfach ein Job, den ich hier mache. Sondern es ist auch Lebensinhalt geworden. Etwas, das mir persönlich wichtig ist.» Und etwas, das sie gerne weiterführen möchte. «Bis zur Pensionierung, wenn es geht», lacht sie.

Text: Toni Spitale