11.12.2024

Ich würde wieder hier anfangen

Die Lama-Brüder haben zusammengerechnet über 100 Jahre für die Bereuter-Gruppe gearbeitet. Vorarbeiter Cen Lama – der Jüngste des Trios - freut sich, noch ein paar Jahre draufzupacken.


Die Pause auf der Baustelle an der Stationsstrasse in Nänikon ist vorbei. Zusammen mit den Kollegen seiner Gruppe läuft Vorarbeiter Cen Lama (56) aus dem Mannschaftscontainer. Er schnallt sich die Nageltasche um und arbeitet weiter, wo er vor der Pause aufgehört hat. Cen nimmt es genau mit der Holzschalung an der Bodenplatte: «Meine Augen sehen gut. Aber die Wasserwage misst genauer» sagt er und lacht. 

Cen arbeitet seit 33 Jahren für die Bereuter-Gruppe. Er ist der jüngste der Lama-Brüder, die im Unternehmen jeder kennt. Bruder Gjevdet ging 2022 nach 36 Dienstjahren in den FAR. Bruder Zenel wird ihm nächstes Jahr folgen, mit 35 Dienstjahren auf dem Buckel. Cen bleibt noch ein paar Jahre länger und freut sich darauf. «Ganz ehrlich: Wenn ich nochmals 20 Jahre alt wäre, würde ich sofort wieder bei Bereuter anfangen», sagt er. 


Schwierigkeiten und Ausweg 

Zusammen mit den Eltern, vier Brüdern und drei Schwestern wuchs Cen in der Nähe von Gjakova im Südwesten Kosovos auf. Die Familie lebte auf einem kleinen Hof mit Feldern, ein paar Kühen und einer Herde Schafe. «Uns ging es nicht schlecht. Wir hatten zu essen und waren gesund», erinnert sich Cen. Dass die Kinder mitanpackten, war selbstverständlich. Das prägte Cen. «Wenn auf dem Hof Arbeiten oder Reparaturen zu erledigen waren, bestellten wir keine Handwerker ins Haus, sondern machten alles selbst.» So merkte er früh, dass er handwerkliches Geschick hat. 

Ausgebildet wurde er schliesslich als Schneider. «Es war nicht mein Traumberuf. Aber die grosse Textilfabrik im Ort bot vielen Menschen Arbeit und die Gelegenheit, eine Ausbildung zu machen», so Cen. Seine Schneider-Laufbahn beschränkte sich schliesslich auf die Lehrjahre. Nach dem Abschluss arbeitete er wieder auf dem heimischen Hof und ging dann ins Militär. 

Im Verlaufe der 1980er Jahre wurde die politische und wirtschaftliche Lage in Kosovo schwieriger. So schwierig, dass Cen nach dem Militärdienst keine Perspektive mehr für sich sah. Sein ältester Bruder – Gjevdet – war bereits in die Schweiz gereist und arbeitete als Saisonnier für die damalige Bereuter AG. Als Bruder Zenel ihm nachfolgte und ebenfalls bei Bereuter unterkam, dauerte es nicht mehr lange, bis auch Cen seine Koffer packte. «Am 18. August 1991 begann ich offiziell für die Firma zu arbeiten», sagt er, ohne auch nur eine Sekunde lang über das Datum nachgrübeln zu müssen. Cen war damals 23 Jahre alt. 


Erfolg und Schattenseite 

Der Start in der Schweiz war für Cen einfach und schwierig zugleich. Einfach, weil er Arbeit hatte und weil er bei seinen Brüdern war, mit denen er in den ersten Jahren während der Bausaison eine Wohnung teilte. Schwierig, weil er kein Deutsch konnte und sich schwer damit tat, die Sprache zu lernen. Und so blieb sein Deutsch bis heute gebrochen. «Aus heutiger Sicht finde ich es schade, nahm ich mir nicht die Zeit, um die Sprache richtig zu lernen», sagt er. Er habe einfach arbeiten wollen, um mit dem Lohn die Familie in Kosovo zu unterstützen. 

Seinen ersten Baustellen-Einsatz in der Schweiz leistete Cen just unter einem jungen Polier namens Marco Bereuter. Unter ihm verdiente er sich als Zudiener der Maurer-Akkordanten die Sporen ab. «Wir waren jung und arbeiteten hart», sagt Cen und lacht. Und die harte Arbeit schweisste zusammen. Der Kontakt zum heutigen Inhaber Marco Bereuter blieb über all die Jahre herzlich. 

Mit seiner Bereitschaft, sich reinzuhängen, fasste Cen auf dem Bau und in der Firma zügig fuss. Anerkennend berichtet er von seinem späteren Polier René Küng, mit dem er häufig zusammenarbeitete und von dem er viel lernen konnte. Auch mit dessen Unterstützung entwickelte sich Cen zu einem guten Bauarbeiter und schliesslich zu einem guten Vorarbeiter – der keine Arbeit scheut: «Sei es schalen, betonieren oder Kanalisationen ziehen, es gibt eigentlich keine Arbeit auf der Baustelle, die ich nicht gerne mache», sagt er. 

Die Arbeiten, die er übernimmt, führt er penibel aus. Cen beschreibt sich als Perfektionisten. «Für mich ist es nicht in Ordnung, wenn etwas zwei, drei Millimeter daneben ist», sagt er. Fehler könnten passieren, das sei ihm bewusst. Aber wenn ihm vermeidbare Fehler passierten, dann schlafe er schlecht. 

Cens erfreulicher beruflicher Weg in der Schweiz hatte eine Kehrseite. Durch das restriktive Saisonnier- Statut, das bei seiner Ankunft galt und das schliesslich vor der Jahrtausendwende für Arbeitskräfte aus dem ehemaligen Jugoslawien noch restriktiver wurde, konnte er nicht das Familienleben führen, das er sich gewünscht hätte. Details dazu möchte Cen nicht öffentlich erzählen. Deshalb springt er direkt zum Happy End: «Ich freue mich, dass ich heute mit meiner Frau in der Schweiz leben kann.» Auch Cens Tochter, die in Kosovo studiert hatte, lebt mittlerweile mit ihrem Mann in der Schweiz. 

Ausblick und Resümee 

Gut drei Jahre sind es für Cen noch bis zum FAR. Gedanklich ist er noch weit vom Aufhören entfernt. Jüngst habe er zwei Wochen Ferien ohne Pläne daheim verbracht. Die erste Woche sei angenehm gewesen. In der zweiten Woche sei ihm langweilig geworden und er habe sich gefreut, wieder zur Arbeit gehen zu können, schildert er. Zwei Erkenntnisse zog er daraus: «Ich mache meine Arbeit wirklich gerne. Und trotzdem muss ich mir langsam Gedanken darüber machen, was ich im Ruhestand tun könnte.» Bis es so weit ist, bleibt Cen mit Hingabe dort, wo er am liebsten ist: auf den Bereuter-Baustellen.